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04.12.2023

Wege zur Versöhnung mit P. Anselm Grün OSB

„Verstehen statt bewerten“. Diese Empfehlung durchzog P. Anselm Grüns gesamten Vortrag zum Thema „Zeit für Versöhnung“. Der Benediktinermönch und Bestsellerautor sprach auf Einladung der KEB in der Volkshochschule Ingolstadt.

P. Anselm Grün betrachtete das Thema „Versöhnung“ aus ganz verschiedenen Perspektiven und begann mit der Versöhnung mit sich selber, weil dies im letzten der Angelpunkt dafür ist, dass eine Versöhnung überhaupt gelingen kann.

Versöhnung mit sich selber bedeutet zunächst einmal, sich mit seiner eigenen Geschichte zu versöhnen. Das bedeutet, für seine Vergangenheit, für sein Geworden-Sein, Verantwortung zu übernehmen, also nicht in die Opferrolle zu fallen. Stattdessen solle man sich bewusst sein, dass man aus allem etwas Gutes formen könne. Durch Aussöhnung mit sich selbst, so. P. Anselm, können Wunden zu Perlen werden.

Versöhnung mit seich selbst bedeutet auch die Versöhnung mit der eigenen Schuld. Tatsächlich, so P. Anselm, falle es oft leichter, anderen zu vergeben als sich selbst, denn die Bereitschaft, Schuld einzugestehen kratzt am eigenen positiven Image.

Eine zweite Perspektive, die der Referent betrachtete, war die Vergebung dem anderen gegenüber.  Vergeben bedeutet hier auch weggeben, machte Anselm Grün deutlich. Es kann nicht darum gehen, den anderen dazu zu bringen, dass er zur Einsicht kommt, sich falsch verhalten zu haben – so schön eine solche Einsicht natürlich auch ist. Aber wenn die Vergebung nicht angenommen wird, so ist das nicht das Problem dessen, der vergeben hat. Der Sinn der Vergebung ist, selbst Abstand von den negativen Gefühlen dem anderen gegenüber zu bekommen: sich nach einer Verletzung und Kränkung bewusst zu werden, dass es mir persönlich weh getan hat, die Regie über die eigene Wut zu übernehmen und versuchen zu verstehen, warum der andere mich derart verletzt hat. Gerade Konflikte in der Partnerschaft entstehen daraus, dass beide unterschiedliche Lebensgeschichten haben. So kann eine verletzte Kindheit zu verletzendem Verhalten führen.

Entscheidend ist vor allem, dass der, der mich verletzt hat, keine Macht über mich bekommt, mich niederdrückt. So bedeutet das Verstehen des anderen auch nicht, dass ich jetzt mich selbst schuldig fühle und daran zerbreche.  Und auch wenn es nicht zu einer wirklichen Versöhnung mit dem anderen kommt, solle man doch die Hoffnung nicht aufgeben, dass das doch irgendwann einmal geschieht. Anselm Grün machte den Vorschlag, bei einem Konflikt eine Kerze anzuzünden, als Zeichen dafür, dass man bereit zur Versöhnung sei. Das gebe dem anderen die Freiheit, auf das Versöhnungsangebot einzugehen und setze ihn nicht unter Zwang. Weniger ratsam sei es, alles durchzudiskutieren. Solcher Dialog ende oft in Anklagen.

Ein dritter Aspekt, den Anselm Grün beleuchtete, war die Versöhnung auf gesellschaftlicher und kirchlicher Ebene. Gerade hier appellierte der Referent an die Bereitschaft zum Verstehen. So sei bei kirchlich konservativ Denkenden oft eine Angst vor Veränderung da, weil man mit dem Bestehenden gute Erfahrungen gemacht habe. Liberale Christen indessen glauben, dass die Kirche sich von der heutigen Zeit total entfernt. P. Anselm berichtete von dem Gespräch mit einem sehr konservativen jungen Priester, der vor allem davor Angst hatte zu versumpfen, wenn Strukturen fehlen, an die er sich halten konnte.

Was die Völkerverständigung und den Einsatz für Frieden und Versöhnung dort betrifft, machte Anselm Grün sehr realistisch deutlich, dass es uns natürlich nicht gelingen kann, tatsächlich die großen Konflikte etwa im Nahen Osten und in der Ukraine zu überwinden. Aber einen kleinen Beitrag können wir schon leisten, durch eine versöhnende Sprache, die aufrichtet und nicht niederdrückt, und durch die Bereitschaft und Fähigkeit zu hören. In diesem Kontext sollen wir lernen, zu sprechen und nicht nur reden – denn Reden führt zu Gerede und Sprechen zum Gespräch. Gespräche verbinden, sind vom Zuhören getragen und geprägt vom Fragen. Das Wort „Fragen“, so P. Anselm hat mit „Furche“ zu tun, und die Furche ist eine Grundlage, um einen guten Boden in der Landwirtschaft zu schaffen.

Last but not least wandte sich P. Anselm der Versöhnung mit Gott zu. Gott selbst, so sagte er, ist bereits mit uns versöhnt. Er hat immerhin sogar den Mördern verziehen, die ihn ans Kreuz gebracht haben. Wir sind eingeladen, alles, was uns bewegt, ihm hinzuhalten und ein Gespür dafür zu bekommen, dass wir von Gott angenommen sind. Dazu kann es hilfreich sein, zum Kreuz zu blicken. Das Kreuz ist einerseits das Symbol für Gottes Liebe, es vereint und versöhnt in seiner Symbolik aber auch die Gegensätze in uns, weil Oben und Unten und Links und Rechts hier zusammenkommen. Auch ist das Kreuz Schutzzeichen, bietet einen heiligen Raum in einer oft chaotischen Welt. Lasse ich aber in diesem heiligen Raum Gott in mir herrschen, so werde ich frei, der zu sein, der ich bin. Und in dieser Tiefe kann ich mit diesem Gott sogar eins werden. Und bin versöhnt mit mir und der Welt.

Text und Bilder: © Raymund Fobes