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31.01.2018

Olivier Ndjimbi-Tshiende: Vision von einer geschwisterlichen Kirche der Liebe

Er strahlt Freundlichkeit und menschliche Wärme aus – und er setzt sich für eine Kirche der Liebe und Barmherzigkeit ein. Olivier Ndjimbi-Tshiende, Priester aus dem Kongo, seit vielen Jahren in Deutschland und jetzt als habilitierter Moralphilosoph Mitarbeiter im Zentrum Flucht und Migration an der Katholischen Universität Eichstätt, sprach auf Einladung der Katholischen Erwachsenenbildung Ingolstadt im Canisiuskonvikt.

Vor zwei Jahren war der Priester, der in seiner afrikanischen  Heimat unter anderem ein Waisenhaus und eine Krankenhaus aufgebaut hat, noch Pfarrer in Zorneding bei München und wurde dort von einigen Bürgern stark attackiert, als er sich für die Flüchtlingspolitik Angela Merkels einsetzte. Sogar Leib und Leben sah er bedroht, und so entschloss er sich zum Weggang aus seiner Pfarrei.

Bei seinem Vortrag in Ingolstadt streifte er diese beklemmende Vorgeschichte nur kurz. Gleichwohl sprach er von seiner Vision einer geschwisterlichen Kirche, in der die Liebe Gottes sichtbar wird. Ndjimbi-Tshiende lehnt die hierarchische Form nicht rundweg ab – dadurch dass sie festlegen, sorgen sie dafür, dass unnötige Streitereien vermieden werden – , er wünscht sich aber eine Hierarchie, die liebevoll gestaltet ist und so eine wertschätzende Gemeinschaft fördert.  Auch die Liturgie solle Liebe ausstrahlen. Ndjimbi-Tshiende kritisierte, dass liturgische Feiern oft zu sehr ritualisiert und die meisten Gebete fest formuliert seien. Das berge die Gefahr, dass man Gott und seine Liebe nicht in den Alltag hineinnimmt. „Im Gottesdienst sind wir Brüder und Schwestern, draußen dann wieder Herr und Dame“, missbilligte der Priester.

Und für ihn hat es den Anschein, dass die Kirche sich selbst zu wenig liebt, und sie deshalb so wenig Salz der Erde und Licht der Welt ist. Es fahle oft an Wertschätzung anderer. Ndjimbi-Tshiende kritisierte auch die Verpflichtung zur zölibatären Lebensform für den Priester. Jesus habe auch Verheiratete um sich geschart – und von den Aposteln lebte allein Johannes ehelos. Folglich stehe Gottes Sohn nicht für den Zölibat. Vielen zölibatär lebenden Priestern fehle seiner Ansicht nach auch ein Verständnis für Ehe und Familie.

Auch wünsche er sich von der Kirche mehr Wertschätzung für die Frauen und meinte, Jesus Christus sei sicher nicht gegen das Frauenpriestertum gewesen. Letztlich war sogar die Erstzeugin der Auferstehung, Maria von Magdala, eine Frau. Frauen seien, so der Referent, Männern auch in vielem überlegen: Sie strahlten mehr Empathie aus, seien ruhiger und ausdauernder, alles Kriterien, die auch für eine gute Seelsorge förderlich seien.

Ndjimbi-Tshiende meinte sogar, dass Gott wohl eine Frau ist – und dunkelhäutig, und dies weil Gott des Menschen Ebenbild sei, und die Wiege der Menschheit in Afrika stand. Doch das bedeutet keinesfalls, dass er(oder sie) jemand mit anderer Hautfarbe ausgrenzt.  Und überhaupt: Ganz und gar kann man diesen Gott nicht begreifen: „Gott“, so Olivier Ndjimbi-Tshiende, „ist Geheimnis und Liebe.“

Raymund Fobes