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09.10.2017

Mutbürger statt Wutbürger - Ehem. Abtprimas Notker Wolf OSB über die Angst

„Nein, Deutschland schafft sich nicht ab“. Die Vielzahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommt, schürt fraglos die Ängste vor fremden Menschen, doch, so sagt Notker Wolf, der ehemalige Abtprimas der Benediktiner, Angst ist ein schlechter Berater.

Gleichzeitig rief P. Notker zu einer differenzierten Sichtweise auf.  Wir dürfen uns nicht abschotten, dennoch ist eine Obergrenze notwendig, die allerdings flexibel sein muss.  Dabei darf es aber nicht um Zahlen, sondern es muss ganz konkret um Schicksale gehen. Wenn sich die Menschen, die zu uns kommen, nach Freiheit und Wohlstand sehnen, so muss deutlich werden, dass Freiheit nur durch die Einbindung in den Rechtsstaat und Wohlstand nur durch Arbeit möglich ist.

Der Benediktiner erinnerte aber auch daran, dass Christen gute Gründe haben, eher Mutbürger zu sein, denn Angst zu haben oder gar aus dieser Angst heraus zu Wutbürgern zu werden. In der Bergpredigt ruft Jesus Christus dazu auf, sich nicht zu sorgen. Während des Seesturms sitzt er ruhig schlafend im Boot, während seine Jünger Todesnöte ertragen. Damit will er ausdrücken: Ich bin und bleibe bei euch, auch wenn ich schlafe. Notker Wolf wies darauf hin, dass all diese Worte und Erfahrungen mit Jesus an eine verfolgte Kirche adressiert waren. Nachfolge Christi sei nicht einfach, und die Erfahrung von Verfolgung gibt es auch heute noch. Der Benediktiner erinnerte an die 21 vom IS im vergangenen Jahr ermordeten Kopten, die unmittelbar, bevor sie geköpft wurden, noch Gebete sprachen. Ihre Familien seien deshalb stolz auf sie, weil sie Märtyrer seien.

Als Christen müssten wir Hoffnungsträger sein, uns selbst von Angst befreien und ebenfalls einen Beitrag dazu leisten, anderen Menschen Ängste zu nehmen. Angst sei ansteckend, sie ist ein komplizierter Hirnprozess. Und dennoch müsse man sich ihr stellen, so wie man in der Dunkelheit sich langsam vortastet und nicht wegläuft.

Und vielleicht, so meinte Notker Wolf auch, schickt uns Gott die Muslime, damit wir wieder mehr unseren christlichen Glauben leben.  Unser Glaube sei mittlerweile oft so wie eine Mitgliedschaft im Golfklub, beklagte der ehemalige Abtprimas.

Andererseits sei es aber auch wichtig, offen für Neues zu sein. Das Zusammenwachsen der Kulturen kann zu einer bunten Wiese führen, die allemal schöner ist als eine bloße Klatschmohn-Monokultur.  Jedoch sei vieles den Flüchtlinge aus ihrer Kultur fremd, was uns vertraut ist und so zwangsläufig zu Konfliktpotential führt: die Gleichheit von Mann und Frau, die Konfliktlösung allein im Gespräch. Wolf wies auch darauf hin, dass gerade im Nahen Osten die Menschen noch schlechte Erinnerung an die Kolonialzeit hatten, als europäische, auch deutsche Kolonialherren, ohne Rücksicht auf die Bevölkerung die Länder aufteilten.

Und er erzählte von einem syrischen Taxifahrer, einem Christen, der einmal zu ihm sagte: „Ich bete für die Christen und bin dankbar dafür, dass sie mich aufgenommen haben.“ Notker Wolf forderte auch, die Polizisten zu unterstützen, die ja oft im Kreuzfeuer stünden, obwohl sie die wichtige Arbeit leisten, die Menschen zu beschützen.

Und überhaupt: Die Grundangst des Menschen, es ist die Angst vor Tod und Vernichtung, kann im Glauben überwunden werden, nicht durch ein immer größeres Streben nach Sicherheit, die es nicht gibt. Auch Jesus garantiert nicht die absolute Sicherheit, er zeigt aber auch, dass diese Sicherheit  gar nicht nötig ist, denn er lässt uns nicht allein. Und das Sicherheitsbedürfnis enge am Ende den Menschen immer mehr ein, ja könne sogar bis zum Suizid führen. Stattdessen empfahl Notker Wolf: Gottvertrauen statt Heidenangst.

Text und Bilder: Raymund Fobes