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26.10.2018

Klinikseelsorger Christoph Kreitmeir über die wahre Schönheit

Helga war um die 70 Jahre alt und litt an einer schweren Krebserkrankung. Ihr Kopf war kahl geschoren, eine tiefe Wunde klaffte in der Schädeldecke, Folge einer Operation. Allmählich wusste sie, dass ihr nicht mehr zu helfen war, der Krebs war zu weit fortgeschritten. Doch Helga verzweifelte nicht – sie ließ sich die Fingernägel lackieren, und die Haare färben, als sie wieder zu sprießen begannen. Im Tod sei sie schön gewesen.

Christoph Kreitmeir, Klinikseelsorger in Ingolstadt, geistlicher Schriftsteller und immer wieder gern gesehener Referent bei der Katholischen Erwachsenenbildung, erzählte die Geschichte von Helga bei einem KEB-Vortrag im Canisiuskonvikt zum Thema „Wahre Schönheit kommt von innen“ – und da machte er deutlich, dass eine wahre Schönheit nicht zwingend in der Welt der Models zu finden ist. Da kann es sogar ganz anders sein, wie er am Beispiel der Fotomodells Naomi Campbell zeigte, die  wegen ihrer Prügel- und Beleidigungstiraden immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kam. Vielmehr hat wahre Schönheit etwas mit Freundlichkeit, mit Dankbarkeit  und mit der positiven Bewältigung von Krisen zu tun. Solche Menschen sind attraktiv, denn sie wirken produktiv ansteckend, man ist gern bei ihnen – so wie Helga, die Kreitmeir, wie er verriet, sehr viel  gegeben hatte.

Oder auch die 80jährige Frau, deren Beine vom Lastwagen überrollt wurden, und die trotzdem nicht verzweifelte, sondern zur Mutmacherin im Krankenhaus und in der Reha wurde. Und die hoch betagt noch das Gehen auf Prothesen lernte und es mit Humor nahm, wenn es nicht so klappte. Warum sie diesen Optimismus und diese Lebensfreude ausstrahle, wurde sie gefragt. Sie sei doch eine eifrige Beterin, war die Antwort. „Beten macht schön“, schloss Kreitmeir daraus, doch nur dann, wenn es wirklich getragen ist von einer inneren Beziehung zu Gott.

Grundsätzlich geht es immer um eine Sensibilität für den anderen, seine Sorgen, seine Anliegen. Wahre Schönheit strahlen Menschen aus, die anderen gut sein wollen. Es sind Menschen, denen es nicht darum geht, zu profitieren oder zu konsumieren, sondern die hilfsbereit und vor allem auch dankbar sind.

Kreitmeir empfahl eine solche Haltung insbesondere für Zeiten, in denen man selbst krank und pflegebedürftig ist – und wenn es ans Sterben geht. Wer da nicht gelernt hat Empathie zu üben, der werde es deutlich schwerer haben. Als Beispiel nannte er einen Familienvater, der seiner Mutter aus dem Weg ging, obwohl sie im gleichen Haus wohnte. Die Begründung: „Die Frau macht mir Schuldgefühle, weil sie früher für meine Kinder, als sie noch klein waren, da war.“ Wer so wenig Gefühl für den anderen hat, der muss damit rechnen, dass  es ihm später genauso gehen wird, dass niemand mehr mit ihm etwas zu tun haben will.

Darum, so Kreitmeis, ist es gut, schon jetzt ein selbstloses und dankbares Verhalten einzuüben, gepaart mit der Fähigkeit, Krisen gelassen anzunehmen. Es wird helfen in Zeiten der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit. Und so gab der Klinikseelsorger den eindringlichen Rat: Da wohl fast jeder eines Tages mit der Krankheit zum Tode konfrontiert wird, sollte man bereits heute diese Haltungen einüben.

Text und Bild: © Raymund Fobes